EU-Parlament stimmt für CRISPR – Fragen bleiben
Das EU-Parlament hat abgestimmt, und eine knappe Mehrheit hat sich für mehr Freiheit in der Nutzung von genom-editierenden Methoden in der Pflanzenzucht ausgesprochen. Viele Fragen bleiben offen, da die Abgeordneten ein striktes Verbot der Patentierung solcher neuen Pflanzensorten in ihren Beschluss aufgenommen haben, was die EU-Kommission selbst vorab ausdrücklich nicht in ihre Vorlage aufgenommen hatte. Das Echo ist je nach Parteibuch sehr unterschiedlich. Der weitere Weg der Reform hält noch einige Hürden bereit.
Wie im Theater klingt die Schlusspointe der für viele überraschenden Abstimmung der EU-Parlamentarier: Vorhang zu, alle Fragen offen. Denn zwar hat das Europäische Parlament am Mittwoch mit einer Mehrheit von 307 zu 263 Stimmen bei 41 Enthaltungen den Vorschlag der Kommission für eine neue Gentechnik-Verordnung gebilligt. Anders als die Kommission vorgeschlagen hatte, fordern die Europaabgeordneten jedoch eine Kennzeichnungspflicht für Produkte, die mit Hilfe der neuen Gentechnik erzeugt wurden, etwa im Supermarkt. Die Kommission hatte lediglich eine Kennzeichnung von Saatgut vorgeschlagen. Damit will sie verhindern, dass das Saatgut versehentlich im ökologischen Landbau verwendet wird. Das war den Abgeordneten nicht genug. Dort soll es auch nach dem Beschluss des EU-Parlaments verboten bleiben, doch die Verbraucher müssten aus Gründen der Transparenz eine Information auf den Produkten erhalten. Zudem haben die Abgeordneten auch zu dem in einem langwierigen Konsultationsprozess vielfach abgeänderten Reformvorschlag eine wesentliche Ergänzung ganz zum Schluss hineingewählt: es soll ein komplettes Patentierungsverbot für die mit gentechnischen Methoden hergestellten Pflanzensorten geben.
Die Messe über all diese jetzigen Formulierungen ist jedoch noch nicht gelesen. Denn das Parlament hat kein Gesetz beschlossen, sondern lediglich ein „Verhandlungsmandat“. Mit diesem Mandat als Grundlage müssen sich die Mitgliedstaaten nun noch auf eine gemeinsame Position einigen. Ein erster Versuch dazu im Agrarministerrat war wenige Wochen vor der Parlamentsabstimmung auch daran gescheitert, dass sich die Bundesregierung nicht auf eine gemeinsame Position einigen konnte und sich deshalb der Stimme enthalten musste. Damit konnte keine qualifizierte Mehrheit in der Abstimmung erreicht werden, die – wie es die Regel will – auch 65% der EU-Population repräsentiert. Belgien, das von Januar bis Ende Juni die Ratspräsidentschaft innehat, strebt zwar eine rasche Einigung an, doch immer noch müssen sich zuerst Parlament und Ministerrat auf einen gemeinsamen Text für das EU-Gesetz einigen. Die Zeit dafür wird vor den Europawahlen vom 6. bis 9. Juni knapp.
Ungeklärt ist in dem Verordnungsentwurf die Frage, wie das Patentrecht für gentechnisch veränderte Pflanzen konkret geregelt werden soll. Dieser Punkt sorgt für Zündstoff zwischen den verschiedenen Interessengruppen. Das Europäische Parlament hat sich am Mittwoch zwar dafür ausgesprochen, dass Pflanzen, die mit Hilfe gentechnischer Verfahren erzeugt wurden, nicht mehr patentiert werden dürfen. Rechtlich bindend ist das aber nicht, solange es nicht im Gesetz steht. Während sich europäische Abgeordnete von GRÜNEN und SPD entsetzt und schockiert geben, sehen CDU- und FDP-Abgeordnete eher die Chancen. Ein Ausweg, die Mehrheiten in Europa zugunsten einer echten Reform zu drehen, könnte die Haltung Polens sein. Bisher stimmte das Land gegen die Reform, es wäre aber von der Bevölkerungsgröße gewichtig genug, um selbst bei einer strikten Ablehnung von Deutschland die Reform durchzubringen.
Im Grunde geht es bei der ganzen Reform darum, ob die zielgenauere CRISPR/Cas-Methode einer Sortenmodifikation ohne Hinzufügen von Fremdgenmaterial als der traditionellen, konventionellen Züchtung entsprechend eingeschätzt wird und somit nur den technischen Fortschritt auch ins Regelwerk der Zulassung und Überwachung übernimmt. Oder, ob diese Genommodifizierung als potentiell gefährlich und unter dem strikteren Recht der Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) verbleibt.